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Der Strommarkt in Südafrika – Chancen für deutsche KMU aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien

Als zweitgrößte Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents und Deutschlands wichtigster Handelspartner in Afrika rückt der südafrikanische Sektor der erneuerbaren Energien zunehmend in den Fokus deutscher KMU.

Als zweitgrößte Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents und Deutschlands wichtigster Handelspartner in Afrika rückt der südafrikanische Sektor der erneuerbaren Energien zunehmend in den Fokus deutscher KMU. Südafrika ist reich an Bodenschätzen und Ressourcen erneuerbarer Energien und gilt darüber hinaus als das am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Mit einem weit entwickelten Finzanz- und Rechtssektor und moderner Infrastruktur ist das Land ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Südafrika bietet beste Voraussetzungen um mit einer stabilen Energieversorgung zum Trendsetter in Sachen alternativer Energie zu werden.

Trotz des schier unerschöpflichen Potenzials an erneuerbaren Energiequellen steht das Land noch immer vor vielen Herausforderungen wenn es um eine stabile, zuverlässige und nachhaltige Energieversorgung geht. Kohle ist  weiterhin die wichtigste Energiequelle und macht 80 % des Energiemixes aus. Das Wirtschaftswachstum wird zudem durch chronische Stromausfälle („load shedding“) aufgrund einer veralteten und nur unzureichend gewarteter Infrastruktur beeinträchtigt. Südafrika ist der größte Emittent von Treibhausgasen auf dem Kontinent und rangiert weltweit auf Platz 20 (https://ourworldindata.org/co2/country/south-africa).

Einige dieser Probleme sowie die Covid-19 Pandemie haben das Engagement vieler Investoren in Südafrika gebremst. Das Land unternimmt jedoch bemerkenswerte Schritte, um den Klimawandel zu bekämpfen, so wurde bereits im Jahr 2019 der „Integrated Resources Plan“ (IRP) verabschiedet, worin eine deutliche Abkehr von Kohle und bestimmten fossilen Brennstoffen hin zu Gas und erneuerbaren Energien vorgesehen ist. Kohle wird zwar noch auf unbestimmte Zeit eine Rolle in der Energieversorgung des Landes spielen, jedoch sieht der Plan vor, dass nach 2030 keine neuen Kraftwerke mehr gebaut und bis 2050 vier Fünftel der Kapazitäten stillgelegt werden (http://www.energy.gov.za/IRP/2019/IRP-2019.pdf).

Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die jüngsten Entwicklungen und Gesetzesreformen auf dem südafrikanischen Strommarkt und die damit einhergehenden Chancen für deutsche KMU im Bereich der erneuerbaren Energien in Südafrika.

  • Anhaltende Reformen führen zu Liberalisierung

Der Markt für erneuerbare Energien in Südafrika entwickelt sich im Allgemeinen sehr positiv, wenn auch weit langsamer als dies möglich und wünschenswert wäre. Ein Meilenstein für den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und deren Wettbewerbsfähigkeit in Südafrika war das öffentliche Ausschreibungsprogramm für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien (“Renewable Energy Independent Power Production Procurement Program”), das im Jahr 2011 mit dreijähriger Verzögerung gestartet wurde und nun im April 2022 bereits in die sechste Runde geht. Das Renewable Energy Independent Power Producer Procurement Programme (REIPPPP) ist ein wettbewerbsorientiertes Ausschreibungsverfahren, das Investitionen des Privatsektors in die netzgekoppelte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Südafrika erleichtern soll. Zu den in geförderten Technologien gehören Onshore-Windkraft, Photovoltaik, Solarthermie, feste Biomasse, Biogas, Deponiegas und (kleine) Wasserkraftwerke.

Dennoch sieht sich Südafrika mit steigenden Strompreisen sowie anhaltenden Versorgungsengpässen konfrontiert, weshalb die Nachfrage nach Strom aus erneuerbaren Energien und (netz-) unabhängiger Erzeugung stetig zunimmt.

Das staatliche Stromversorgungsunternehmen Eskom steckt seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten, ausgelöst durch Misswirtschaft und Korruption, was das Finanzministerium als größten Risikofaktor für die südafrikanische Wirtschaft wertet. Eskom ist für 95 % der Stromversorgung des Landes verantwortlich, betreibt das Stromnetz und ist Eigentümer der meisten Kohlekraftwerke.

Vor dem Hintergrund dieser Probleme suchen Unternehmen und Privathaushalte nach Alternativen um Stroversorgung und Planungssicherheit zu gewährleisten. Netzunabhängigen Lösungen bieten eine solche Alternative und es wurden bereits bedeutende Schritte unternommen um den rechtlichen Rahmen für die Selbtserzeugung durch sog. Independant Power Producer (IPPs) zu verbessern und kontinuierlich der steigenden Nachfrage anzupassen.

Im Jahr 2019 wurde durch das Ministerium für „Mineral Resources and Energy“ ein Änderungsgesetz zum Electricity Regulation Act (ERA) erlassen, wodurch die Schwelle zur Registrierung unabhängiger Energieerzeuger (IPPs) für Selbsterzeugungsanlagen von 1 MW auf 100 MW angehoben wurde. Bis zu dieser Schwelle können IPPs ohne Lizenz der nationalen Regulierungsbehörde (NERSA) operieren. Durch die Anhebung dieser Registrierungsschwelle wurden dem Privatsektor erheblich Möglichkeiten eröffnet und die Einspeisung zusätzlicher Erzeugungskapazitäten in das strapazierte südafrikanische Netz erleichtert. Die Änderung erlaubt es einer Stromerzeugungsanlage, einschließlich IPPs, mit einer Leistung von bis zu 100 MW, Strom an Endverbraucher zu verkaufen.

Industrie- und Bergbauunternehmen gehören zu den wichtigsten Nutznießern, da sie Strom von einem IPP beziehen und an verschiedene Standorte im Land weiterleiten („wheeling“) und so den Strombedarf innerhalb des Konzerns decken können.

Am 10. Februar 2022 veröffentlichte das zuständige Ministerium für „Mineral Resources and Energy“ schließlich einen zweiten Änderungsentwurf zum Electricity Regulation Act (ERA), welcher wie üblich zunächst einen Monat zur öffentlichen Stellungnahme auslag. Der Schwerpunkt der vorgesehenen Änderungen liegt auf dem Übergang von einem überwiegend auf einen einzigen Abnehmer ausgerichteten Strommarkt zu einer wettbewerbsorientierten Marktstruktur. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen sollen einen wettbewerbsorientierten Markt für die Stromerzeugung und die Einrichtung einer unabhängigen staatlichen Übertragungsgesellschaft fördern. Dies wird Auswirkungen auf IPPs, Investoren sowie Abnehmer und Verbraucher haben. Das Ministerium plant strukturelle Veränderungen im südafrikanischen Elektrizitätssektor, indem alle mit der Übertragung zusammenhängenden Aktivitäten von den Verteilungs- und Erzeugungsfunktionen des staatlichen Versorgungsunternehmens Eskom getrennt werden. Es wird zudem davon ausgegangen, dass auch eine unabhängige staatliche Übertragungsgesellschaft gegründet werden soll.

Um den Wettbewerb in der Branche weiter anzukurbeln, würde der Gesetzentwurf Markttransaktionen, physische bilaterale Transaktionen und regulierte Transaktionen zulassen – eine Abkehr von dem traditionellen vertikal integrierten Modell, das für Eskom gilt. Außerdem soll ein “Übertragungsnetzbetreiber” („transmission system operator“) (TSO) geschaffen werden, der eine wettbewerbsfähige Stromhandelsplattform betreiben soll, über die ein Handel zwischen Käufern und Verkäufern ermöglicht wird. Während derzeit nur der Betrieb von Stromerzeugungsanlagen lizenziert wird, soll mit dem Gesetzentwurf auch eine neue Kategorie von Lizenzen für den Bau solcher Erzeugungsanlagen sowie Verteilungs- und Übertragungssystemen eingeführt werden. Unter dem Strich wird es drei Möglichkeiten geben, Strom zu handeln (Kauf und Verkauf), was den Wettbewerb fördern und mittelfristig zu einer Senkung der Strompreise führen wird:

(1) Handel über eine Plattform, auf der die Marktteilnehmer stündlich und täglich miteinander handeln können;

(2) Private Stromabnahmeverträge, in deren Rahmen zugelassene oder registrierte Erzeuger Stromabnahmevereinbarungen mit Direktkunden und Händlern abschließen, und

(3) Regulierte Stromabnahmevereinbarungen von Erzeugern mit der einzigen Abnahmestelle des ÜNB oder den vom Minister bestimmten Abnehmern.

Darüber hinaus wurde im Februar 2022 von der nationales Regulierungsbehörde (NERSA) eine neue Lizenz an ein privates südafrikanischen Stromhandelsunternehmen vergeben. Diese Lizenz ermöglicht es, wettbewerbsfähige Preise für Strom aus überwiegend erneuerbaren Energiequellen von mehreren IPPs und kleinen Erzeugern zu erzielen, diese Energie über die nationalen und kommunalen Netze zu leiten und an die Kunden mit einem Rabatt auf die geltenden Stromtarife zu verkaufen. Die Erteilung dieser Lizenz durch Nersa ist ein weiterer Schritt zur Entflechtung der Eskom-Geschäftsbereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung, um den Übergang von einem Modell mit nur einem Abnehmer, hin zu einem wettbewerbsfähigeren Modell eines offenen Inlandsmarkts zu ermöglichen.

  • Fokus Hydrogen – Deutschland und seine Partnerschaft mit Südafrika

Mit „H2.SA“ wurde eine Partnerschaft zwischen Südafrika und GIZ ins Leben gerufen, durch die der strategischer und regulatorische Rahmen entwickelt und so eine grüne Wasserstoffwirtschaft in Südafrika gefördert werden soll. Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat für H2.SA 12,5 Mio. EUR an Fördermitteln bereitgestellt.

Im Rahmen von H2.SA wird zudem das Potenzial zur Produktion von grünem Wasserstoff an verschiedenen Standorten in Südafrika geprüft, so wird derzeit z.B. in Boegoebaai bereits eine Machbarkeitsstudie von Sasol zum Export von grünem Wasserstoff und Ammoniak durchgeführt. Die deutsche Regierung hat weiterhin über die Entwicklungsbank KfW eine gesonderte Zusage über 200 Mio. EUR zu Vorzugsbedingungen für Investitionen in den Energiesektor gemacht.

  • Chancen für den deutschen Mittelstand in Zukunft

Die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes in Südafrika schreitet kontinuierlich voran und beinhaltet u.a. die Verbesserung der Rahmenbedingungen, die Etablierung neuer Formen der Stromerzeugung und -verteilung sowie die zunehmende Präsenz privater Akteure auf dem Markt.

Deutsche KMU nehmen bereits eine wichtige Rolle bei der Schaffung einer nachhaltigen Energieinfrastruktur in Südafrika ein und haben in unterschiedlichster Weise zu einer stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien sowie Technologien im Bereich der Energieeffizienz beigetragen. Solche Unternehmen, die bereits im Land altiv sind, planen häufig ihre Aktivitäten zu einem späteren Zeitpunkt in weitere Länder auszudehnen, wie z.B. in das Nachbarland Namibia.

Die jüngsten Reformen und Entwicklungen im Rahmen der Deregulierung des Stromsektors und die Bestrebungen der Regierung die Energiewende voranzutreiben, bieten hervorragende Chancen für deutsche KMU in den südafrikanischen Markt einzutreten, beispielsweise im Bereich von PV – und Energiespeichersystemen und damit verbundenen Technologien sowie als Lieferant von Anlagentechnik und Maschienen. Im Bereich der Technologie für erneuerbare Energien ist Südafrika stark von Importen abhängig, was deutschen Unternehmen gute Marktchancen der erneuerbaren Energien entlang der gesamten Wertschöpfungskette bietet.

Dabei ist die PV aufgrund der kontinuierlich sinkenden Systemkosten und der relativ einfachen technischen Umsetzung die erneuerbare Energietechnologie mit der größten Verbreitung und dem stärksten Wachstum im Bereich der dezentralen Anwendung in Südafrika. Auch für die Solarthermie gibt es Anwendungspotenziale, insbesondere in der Lebensmittel- und Textilindustrie. Im Bereich Wasserstoff haben deutsche Unternehmen die Chance, im internationalen Wettbewerb um die Entwicklung und den Export von Wasserstoff- und PtX-Technologien eine Schlüsselrolle zu spielen.

Südafrika bietet ein großes Potenzial für deutsche KMU, um erfolgreich am wachsenden Markt für dezentrale erneuerbare Energielösungen im Land zu partizipieren.

Julius Moerder – Attorney/ Head of Energy Transition Centre

julius.moerder@centurionlg.com